Hallo liebe Community,
hier ist der Bericht über die Superzelle vom 19.06.2012.
Am Dienstag den 19.06.2012 entstand um 13:00Uhr eine kleine Zelle in der Nähe von Sankt Wendel im Saarland.
Bis 15:00Uhr erreichte sie die Mainzer Region, sie zog unter Verstärkung weiter über Bad Nauheim bis Bad Heersfeld (17:30 Uhr). Hier begann sie dann den meisten Wetterbegeisterten erst richtig auf zu fallen. Sie zeigte nun markante Radarechos und begann deutlich nach rechts aus zu scheren. Sie hielt direkten Kurs auf Eisenach (18:30 Uhr), Erfurt (19:40 Uhr) und Naumburg (20:45 Uhr) und zog weiter ins südliche Leipziger Umland.
Als sie gegen 21:15 Uhr Sachsen erreichte war sie bereits seit 3 Stunden ein potentieller Superzellenkandidat.
Hier einmal eine Radaranimation in der man auch sehr schön erkennen kann wie die Zelle an der Thüringerischen Grenze stark nach rechts ausshert.
Wir ( Maik, Kenny und ich) Analysierten die Zugrichtung und beschlossen kurzer Hand uns ein paar wenige Kilometer südlich der Stadt an der B95 rtg. Chemnitz zu Positionieren.
Wie sich später herausstellen sollte fand Maik gegen 21:30Uhr die geeignete Position an der Ausfahrt nach Espenhain. (Koordinaten: 51.193835,12.4571 einfach kopieren und bei google Maps eingeben)
Hier sahen wir bereits die ersten Blitze, bisher allerdings noch keinerlei Strukturen.
Gegen 21:45 Uhr ging es dann los, es boten sich uns beeindruckende Strukturen und Blitze.
Hier entstanden dann auch die ersten brauchbaren Bilder!
Schön zu erkennen sind hier die laminaten Strukturen der Mesozyklone.
Vor allem die überwiegend Positiven CG-Entladungen hatten es in sich!
Die Strukturen wurden immer Beeindruckender und kontrastreicher. Die Kameras liefen auf Dauerfeuer
Auch wenn hier der RFD deutlich zu erkennen ist und ordentlichen Hagel vermuten lässt. Haben wir keinerlei Berichte oder Hagelmeldungen gefunden.
Die Mesozyklone war gegen 22:00Uhr beinahe überuns. Ebenso erreichte uns nun André zu diesem Zeitpunkt, nachdem er über die A38 durch den Core gefahren ist um zu uns zu gelangen.
Die Blitzeinschläge kamen gefährlich nah, so beschlossen wir noch schnell ein paar Fotos zu machen bevor wir uns zurück ziehen.
22:15 Uhr fuhren wir (Maik, Kenny, André und ich) direkt hinter Espenhain wieder von der B95 ab und positionierten uns erneut auf der 48 Richtung Kitzscher oder auch genannt "Am Heiligen Holz", direkt am "Industrie- und Gewerbezentrum Goldener Born" (Koordinaten: 51.173437,12.506045 )
Von hier aus beobachteten wir den Zerfall dieser wunderbaren Zelle und es entstanden diese letzten Aufnahmen mit Blick auf den Aufwind.
Sogar einen letzten Blitz haben wir noch einfangen können!
Als Abschluss der Bilderdokumetation ist hier noch ein Video mit zusammenschnitten von diesem Tag inklusive Zeitraffer und netten Blitzen
VIDEO
etwas zur Wetterlage:
Ein Langwellentrog mit kurzwelligen Anteilen bestimmte die Wetterlage für West- und Mitteleuropa. An der Trogvorderseite (des Langenwellentrogs) wurde mit der Strömung Feuchte in mittlerer Höhe nach Deutschland herangeführt.
Am Boden erstreckte sich dabei eine Luftmassengrenze in Form einer quasistationären Front, wobei diese über Deutschland bereits Warmfrontcharakteristika aufwies. Quasistationären Fronten neigen häufig zur baroklinen Wellenbildung. Die Folge sind Tiefs, welche sich entlang dieser bilden. Für Süddeutschland war zusätzlich besonders die Höhenströmung interessant, welche ja schon früher des öfteren am Nordrand der Alpen zur Leezyklogenese führte.
Zur Bodendruckverteilung: Die Zunge des Bodenhochs vom Atlantik, welche sich in der Nacht zuvor bereits über weite Teile Deutschland ausgedehnt hatte, wurde „abgetrennt“. Das abgeschlossene Bodenhoch „schob“ sich dann im Laufe des 19. Juni weiter nach Nordosten.
An den Alpen entwickelte sich ein Leetief (v.a. überströmen), welches in den Nordostalpen saß. Ein weiteres Leetief (v.a. umströmen) entwickelte sich am späten Nachmittag/gegen Abend im Südwesten Deutschlands gleich an der quasistationären Front.
Aufgrund des erwähnten Bodenhochs und den Bodentiefentwicklungen herrscht vom Saarland über Hessen nördliche, in Thüringen nordöstliche und in Sachsen nordöstliche bis östliche Bodenströmung. In den höheren Schichten bestimmte eine südwestliche bis westsüdwestliche Strömung das Geschehen.
ReTop:
700hPa Relative Feuchte:
DWD-Bodenanalyse:
Gewitterindizes aus den Radiosondenaufstiegen
CAPE-abhängige Werte waren wie angesprochen nicht zu gebrauchen (z.B. BRN, SCP, STP, EHI), da sie irreführend hinsichtlich der Beurteilung der Gewitterlage waren.
Daher ein Blick auf ein paar andere interessante Werte aus relevanten Aufstiegen:
Meiningen 12z
-KO-Index: -9
-Windscherung sfc-3km: 25kn in 222°
-Windscherung sfc-6km: 34kn in 235
-Helizität 0-1km: ca. 60 m^2/s^2
-Helizität 0-3km: ca. 130 m^2/s^2
Idar-Oberstein 12z
-KO-Index: -4 bis -5
-Windscherung sfc-3km: 34kn in 220°
-Windscherung sfc-6km: 43kn in 235°
-SRH 0-1km: ca. 60 m^2/s^2
-SRH 0-3km: ca. 160 m^2/s^2
Da es zu Meiningen 18 leider keinen Aufstieg gibt, ein Blick auf den Aufstieg von Lindenberg...
Lindenberg 18z
-KO-Index: 3
-Windscherung sfc-3km: 31kn in 250°
-Windscherung sfc-6km: 41kn in 240°
-SRH 0-1km: ca. 60 m^2/s^2
-SRH 0-3km: ca. 140 m^2/s^2
Gewitterzutaten:
Gleich vorweg: Die CAPE-Karten waren kaum zur (Schwergewitter-)Vorhersage zu gebrauchen, da Feuchte im mittleren Niveau advektiert wurde, was i.d.R. zu geringerem oder gar keinem CAPE führt – jedoch nicht bedeutet, dass es keine Gewitter und sogar Schwergewitter geben kann. Ähnlich ist es beim Lifted-Index und CIN etc.
Hinzu kommt, dass CAPE auf das Archimedes-Prinzip (=> Dichteunterschiede) beruht. Das ist aber nur der eine Teil, welcher hinsichtlich Vertikalbeschleunigung relevant ist. Hinzu kommt noch die Windscherung. Viel besser ist es also in diesem Fall sich die KO-Index-Werte, Karten für die Hebung und die Windscherung anzuschauen.
Auf weitere Details hinsichtlich potentieller Labilität und Hebung einschließlich Karten haben wir verzichtet, um den Thread nicht mit zu viel Theorie zu überladen. Diese und andere Punkte sollen später nocheinmal in einer gesonderten Analyse betrachtet werden.
Sat und Radar:
CZ-Radarbild mit unseren beiden Standpunkten:
Allem in allem lebte diese Zelle vom ersten Niderschlag bis zum Tode um die 9 Stunden und zog einmal quer durch Deutschland!
Diese und viele weitere Fakten sprechen hier für eine Superzelle. Bis dieser Fall eindeutig geklärt ist bleibt es jedoch ein Verdachtsfall für uns
Wir hoffen das euch der Bericht gefallen hat!
Lg Kenny, Maik und Micha